Sonntag, 4. April 2010

Der Tag als „Beifahrer“

Ich fange mal ganz von vorne mit dem Rallye Fahren an. 2008 war es mir zu langweilig, Steffi beim „im Kreis Fahren“ zuzuschauen. 2008 war Ihr letztes Jahr, in dem Sie am VLN Langstreckenpokal teilgenommen hatte. Es musste also eine neue Herausforderung her, an der wir beide teilnehmen konnten, ohne dass dabei der Spaß auf der Strecke blieb. So wurde die Idee zum Rallye fahren geboren. Allerdings gab es noch ein Problem: Wer fährt und wer navigiert? Dieses konnten wir leider erst während der letzten Tuareg Rallye lösen. Anscheinend wurden Frauen von Mutter Natur nicht mit dem Gen ausgestattet, dass sie während der Fahrt lesen können, ohne dass ihnen noch einmal das Essen durch den Kopf geht. Somit ist mir die Stelle als Beifahrer und Navigator zugefallen, ob ich wollte oder nicht. Dabei ist es ein undankbarer Job. Man muss sich unter den widrigsten Umständen immer konzentrieren und den richtigen Weg finden. Da man auch meistens auf Navi, Kompass und Roadbook fixiert ist, wird jedes Schlagloch zur Überraschung … rummmmssssss. Aber die Lorbeeren für den Sieg bekommt immer der Fahrer und der Beifahrer steht in seinem Schatten.

So jetzt mal zur Tuareg Rallye 2010
Gleiches Auto und gleiches Team, nur dieses Jahr funktionierte der Tripmaster und das Navi ohne Probleme. Somit sollte es für mich ein leichtes sein, dieses Jahr alle Checkpoints zu finden und fehlerfrei durchzukommen. Vor jedem Start heißt es, Roadbook bearbeiten und mit demTrack auf dem Navi überprüfen. Denn auch die beste ORGA macht Fehler, so stimmten häufiger die Kilometerangaben im Roadbook nicht. Steffi wollte dies immer am Vorabend machen, doch ich hielt es für ausreichend, dieses kurz vor dem Start zu machen. Da hatte man dann wenigstens eine Beschäftigung, denn bereits 45 min vor der eigentlichen Startzeit musste das Team beim Startpunkt sein und seine Timecard abholen. Andere zogen es vor, in dieser Zeit ständig auf Toilette zu gehen.


Bei der Tuareg Rallye gibt es zwei Unterschiedliche Navigationsarten: Zum einen das Navigieren auf Pisten. Hier fährt man mit dem Roadbook in Verbindung mit dem Tripmaster ( genauer Kilometerzähler) und natürlich markanten Punkten an der Strecke. Das Navi spielt nur eine geringe Rolle, es wird nur benötigt, um die Position des nächsten Checkpoints zu kennen. Die zweite Variante ist das Fahren im Wüstensand. Hier benötigt man nur das Roadbook, Navi und den guten alten Kompass, denn in der Wüste gibt es vielleicht bis auf eine Oase keine markanten Punkte. Das Entscheidende in der Wüste ist, den richtigen und einfachsten Fahrweg zu finden und sich nicht zu überschlagen. Folgend ein Auszug aus dem Roadbook der Kingstage 2009:



Ansonsten gibt’s noch 3 kleine Regeln bei der Navigation:
1. Sollte Deine Navigation nicht ausgefallen sein, folge niemals anderen Rallyeteilnehmern, denn sie könnten sich verfahren haben. Sollte sie aber auch richtig sein, behalte Deine Navigation immer auf dem aktuellen Stand.
2. Lass Dich niemals von Reifenspuren im Sand oder Dreck bei Deiner Navigation beeinflussen. Sie könnten von einer Touri-Gruppe sein.
3. Fahre niemals in die Richtung, die von den einheimischen Kindern angezeigt wird.

Und nun ein kleiner Eindruck aus dem Rallye-Alltag. Dazu nehme ich mir das Dünen Rennen als Beispiel. Dabei ging es darum, schnellst möglichst zwei Runden durch die Dünen zu fahren. Da wir mit 2 Stunden Vorsprung das Rennen anführten, wollten wir es ruhig angehen, langsam fahren und das Auto heile lassen. Aber wie es immer so im Leben ist, kommt es immer anders als man denkt. Wir hatten irgendwie nicht unseren besten Tag. Vielleicht lag es daran, dass man nachts immer vom Fahren in den Dünen träumt und dadurch schlecht schlafen konnte. Die erste Runde absolvierten wir relativ problemlos, wobei es schon eine gewisse Anspannung im Cockpit gab. Steffi hatte mal wieder Ihren Dickschädel und wollte nur nach ihrem Kopf fahren, egal ob es ein Umweg war oder nicht. Ich wollte am liebsten den Platz wechseln und selber fahren. In der Mitte der zweiten Runde war es dann soweit, wir hatten den Checkpoint Mitte angefahren und parkten vor ihm. Steffi war auf dem Weg, um sich den Kontrollstempel am Checkpoint zu holen als neben mir eine Motorradfahrerin anhielt. Mein Seitenfenster war ganz geöffnet. Als Sie dann versuchte ihr Motorrad zu parken und das macht man in der Wüste wie folgt: Anhalten, 1. Gang einlegen und so lange Gas geben bis sich der Hinterreifen im Sand eingräbt, flog der ganze aufgewirbelte Sand auf und in den Defender. Im Klartext, im Fußraum, mein Sitz, Hose und wo Sand überall noch hinkommen kann waren voll von den kristallinen Steinchen. Zu meinem Leid klemmte das Seitenfenster, so dass ich es auch nicht schließen konnte.



Auf dem Foto sieht man den Defender, wie er gerade von einem Motorrad besandet wird. Aufgenommen aus ca. 1.000m Entfernung.

Dies reichte aus, meine Laune auf den Tiefpunkt zu bringen. Zum Glück mussten wir nur noch in das 7 km entfernte Ziel. Mittlerweile war es kurz nach 11 Uhr. Das Timelimit war 13 Uhr, so dass wir noch Zeit hatten. Allerdings hat die Wüste in der Mittagszeit so ihre Tücken. Man sieht keine Konturen mehr. Das heißt, es kann passieren, dass man auf einer Ebene fährt und dann einfach mal ins Loch fällt, weil man die Kante nicht sehen konnte. Naja, so kam es dann auch: wir fuhren und plötzlich ging es abwärts in ein V- förmiges Tal. Dort rutschten wir so dämlich rein, dass der Defender hinten links in der Luft hing und hinten rechts völlig eingefedert war. Vorne sah es ähnlich aus, nur das die Seiten vertauscht waren. Zu allem Überfluss hatte sich auf der Fahrerseite noch der Reifen von der Felge gelöst. Dieses kann Aufgrund des geringen Reifendrucks den man im Sand fährt, ca. 0,8bar, passieren. Wir fingen also zu zweit an zuschaufeln. Das Problem war aber, dass der von den Hängen rutschenden Sand wieder nachkam. Bei uns machte sich die Angst breit, dass wir das Ziel nicht mehr pünktlich erreichen und somit 4 Strafstunden kassierten und die Führung verlieren. Steffi machte den Vorschlag, zu Fuß zum Ziel zu laufen und sich den Stempel zu holen. Wäre es erlaubt ohne Auto anzukommen? Wir waren uns unsicher und entschieden lieber weiter zu buddeln. Auch der Einsatz unserer Sandbleche brachte kein Erfolg, der Defender saß fest. Auch zwei weitere Autos übersahen das Loch, eins schaffte es im letzten Moment noch , um uns herum zu fahren, das zweite Stand hinter uns und konnte erst weiter, wenn unser Defender aus dem Weg sein würde. Allerdings interessierte es sie nicht und sie blieben einfach im Auto sitzen. Das Duckworth Team sah unser Missgeschick und hielt an, um uns zu helfen. Mit 4 Sandblechen und viel Schaufeln bekamen wir den Defender dann frei. Den Duckworth Leuten sein Dank.


Der Duckworth Desert Warrior ... auf der einen Seite die helfenden Hände beim Dünen-Rennen, aber auch Fahrer des zweit schönsten Rallye Cars ... noch schöner war deren Service-Fahrzeug (Defender 110 in orange metallic)

So nun noch schnell den Reifen wechseln. Als es weiterging, war es schon 12:20 Uhr und wir waren wieder auf der Jagd, das Ziel doch noch pünktlich zu erreichen. Als nach einigen Minuten ein entscheidender Satz von Steffi kam: „ Benni, ich glaub ich habe die Radmuttern nicht festgezogen!“. Ich dachte, na prima und schaute aufs Navi, es waren nur noch knapp 2 km. Jetzt nochmal anhalten und die Muttern nachziehen oder weiter Gas geben und das Risiko eingehen das Rad zu verlieren? Tja, das war wohl die Frage des Tages. Ich entschied, wir gehen das Risiko ein und fahren durch. Gesagt … getan, wir erreichten das Ziel um 12:40, also wäre noch Zeit gewesen, die Radmuttern zu kontrollieren. Völlig fertig fuhren wir in unser Hotel zurück. Nicht nur der Defender brauchte ein Pause, sondern wir auch. So machten wir erstmal Siesta und legten uns für 2 bis 3 Stunden schlafen. Wie sich noch herausstellte, waren die Radmuttern relativ fest. Ich denke, Steffi hatte sie doch mit ihrer maximalen Kraft angezogen. Sie ist eben ein Fliegengewicht. An diesem Tag haben wir eine Stunde unserer Führung verloren, aber wir hatten noch ein kleines Polster und freuten uns auf den nächsten Rallyetag. Endlich wieder raus aus den Dünen zurück auf die Piste! Wir konnten keinen Sand mehr sehen!!!

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